Dies hier ist nicht nur einfach ein
Bienenbesen wie viele andere - dies ist ein Kunstwerk, der schönste Bienenbesen
den ich bisher in meinem langen Leben gesehen habe! Er verdient es, beachtet
und hoch geehrt zu werden!
Am Ende des eleganten Griffes ein Loch
und - alles andere wäre ein Sakrileg - ein schlanker, heller Lederriemen als
Aufhänger; perfekt.
Und dann diese Haare! Helles Rosshaar,
kein schnödes Plastik. Genau die richtige Länge, genau die richtige Stärke.
Nicht zu lang und zu weich -das könnte die Bienen kaum überzeugen. Nicht zu kurz
und zu hart, das würde sie vielleicht verletzen. Teste es - streiche mit dem Kunstwerk
zart über Deine Hand, über Dein Gesicht! Noch nie hast Du es mehr bereut, keine
Biene zu sein!
Eine lange gerade Linie bildet der Haarkamm, ideal
um auch größere Waben abzukehren. Und hast Du überhaupt bemerkt, auf welche
Weise die Haare im Holz befestigt sind? Nicht billig in die Löcher eingestanzt,
nein - aufwendig und kunstvoll mit einem einzigen feinen Edelstahldraht eingeflochten!
Das absolut Genialste an diesem perfekten
Bienenbesen ist aber die Spitze. Schwungvoll nach vorne und dezent nach oben
geschwungen. Ein zum Bienenbesen gewordenes Symbol für Dynamik, Ästhetik, Stil.
Eine Augenweide, ein Augenbalsam. Und gleichzeitig geradezu vollkommen dafür
geschaffen, auch eine einzelne Biene zart und angemessen anzusprechen.
Allein schon wegen dieses Wunderwerkes
ist es für seinen stolzen Besitzer geradezu Pflicht, mit der Imkerei zu
beginnen!
Meine erste Begegnung mit dieser
anmutigen Schönheit war auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt. Natürlich war es
Liebe auf den ersten Blick. Seitdem gehört der Weihnachtsmarkt in Stuttgart zu
meinem alljährlichen Pflichtprogramm. Fast wie ein Ritus beginnen und enden
meine Besuche dort immer an der Besenbinderbude zwischen Schillerplatz und
Marktplatz.
Heute besitze ich leider nur zwei dieser
Kunstwerke und damit nur die Hälfte des absoluten Minimums. Eines davon darf
nur zum reinem Betrachten und Bestaunen genutzt werden. Das andere jedoch ist
im ständigen Einsatz. Es hat seinen festen Platz links am Fahrersitz meines
Autos. Mit ihm staube ich den Fahrzeuginnenraum und meine Nerven ab, immer wenn
ich auf meine säumige Tochter warten muss - also immer. Dazuhin habe ich es mir
zur lieben Angewohnheit gemacht, gleich nach dem Einsteigen sanft über die nach
oben stehenden Haare zu streichen; von hinten nach vorne. Ich nenne dies
"mein Seelentribut". Damit streichle ich alle geschundenen und
verletzten Seelen dieser Welt, also auch Deine und meine. Ich bin fest davon
überzeugt - das heilt und bringt Glück. Was bitteschön sollte denn mehr heilen
und Glück bringen als eine Seele zu achten und zu ehren?
Bei Aristaios, dem griechischen Gott der
Imkerei, und Ambrosius, dem Schutzpatron der Bienen - ich gelobe, mir
irgendwann auch noch ein weiteres Prachtexemplar dieses edlen Werkzeugs
zuzulegen und es dann auch tatsächlich für meine Bienen zu verwenden. Und noch
ein Viertes, einfach so, als Reserve. Und ein Fünftes, als Geschenk für einen
lieben Menschen. Spätestens bei den nächsten Stuttgarter Weihnachtsmärkten.
Werner Wallenwein, alter Bienenschrat
Werner Wallenwein, alter Bienenschrat